Einst schützte er Teile Frankreichs und Belgiens gegen die Sturmfluten der Nordsee und des Flusses Schelde: der Graafjansdijk. Mit seinen modernen Brüdern kann der inzwischen arg zerpflückte Deich aus dem neunten Jahrhundert unserer Zeit kaum mithalten. Im belgischen Küstenörtchen Knokke erinnern jedoch noch Überbleibsel seiner an seinen einst heldenhaften Widerstand gegen die Fluten. Hier gibt er der Straße, entlang welcher er verläuft, den Namen und neuerdings auch einem Neubau des Brügger Architekturbüros Govaert & Anhoutte auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Vorm Graben
Die Villa befindet sich auf einem schmalen Grundstück, das maßgeblich durch den Verlauf eines Grabens auf der Nordseite gekennzeichnet ist, was wiederum starken Einfluss auf den L-förmigen Grundriss des Gebäudes hatte. Die Straßenfront des Einfamilienhauses ist nahezu komplett in Holz gehüllt. Einzig der obere Teil des Obergeschosses lugt mit seiner Glasfassade über die Kante der hölzernen Wand. Schmale, ein Rechteck umreißende Schlitze im Holz lassen ein verstecktes Tor vermuten. Und tatsächlich: Auf der linken Seite des Hauses verbirgt sich hinter der Holzfassade eine Garage, große genug für zwei nebeneinander parkende Autos.
Wiesenblick
Die Rückseite des Hauses zeigt sich, bis auf die Garage und den östlichsten Teil des Erdgeschosses mit dem Elternschlafzimmer, äußerst transparent mit einer Glasfassade, die den Blick auf eine weitläufige Wiese hinter dem Graben erlaubt. Von der Wiese aus werden die wahren Ausmaße des Hauses deutlich, in denen sich das Obergeschoss als kleines, aufgesetztes, rundum verglastes Volumen abzeichnet, welches viel Platz für eine Terrasse auf dem übrigen Dach des Erdgeschosses lässt. Die hölzerne Fassade des Erdgeschosses verlängert sich hier zu einer einen Meter hohen Balustrade. Vor dem Graben befindet sich noch ein kleines Fleckchen eigener Garten.
Innen wie außen
Das Holz der Außenfassade wurde im Innern ebenfalls vereinzelt für Wandverkleidungen, vor in erster Linie aber für maßgefertigte Möbel benutzt. Unter letzteren sticht vor allem eine beeindruckend lange und massiv wirkende Kombination aus Küchenarbeitsfläche, Spüle und Esstisch heraus. Einen besonderen Kontrast zum Holz sowie weiß gestrichenen Wänden und Decken kreiert edler schwarzer Tadelakt auf Böden und vereinzelt Wänden.
Ausgewogene Villa
Das gräuliche Holz und der schwarze Tadelakt erschaffen ein für meine Wohnbedürfnisse etwas zu winterlich kühles Flair, aber das ist natürlich reine Geschmackssache. Insgesamt passt im Graafjansdijk-Haus alles zusammen. Sowohl der Materialmix als auch das Verhältnis von Offen- und Verschlossenheit sowie die verspielte Form aus zwei unterschiedlichen Volumen wirken sehr ausgewogen und geordnet. Letzteres gilt auch augenfällig für die klare Raumaufteilung: Das Erdgeschoss ist mit den vier Schlafzimmern und Bädern in straßenseitiger Verschlossenheit eindeutig der Nacht zuzuordnen, während der offene Wohn-, Ess- und Kochbereich im Glasvolumen zweifellos den Tag zelebriert. Was sich in dem gewaltigen Kellergeschoss abspielt, bleibt jedoch ein Geheimnis.