Ribeira Grande ist mit etwa 30.000 Einwohnern die größte Stadt im Norden der größten Azoreninsel, Sa?o Miguel. Hier befindet sich am nördlichen Stadtrand und in Küstennähe seit 2014 ein neues Zentrum für zeitgenössische Kunst. Dieses nennt sich in Anlehnung an das Azoren-Archipel „Arquipélago“. Neu ist allerdings nicht alles an diesem Zentrum. Genau genommen bestehen etwa zwei Drittel des Projekts aus einer alten Fabrikanlage, in der früher Tabak und Alkohol produziert wurden. Nun wird hier also neuerdings weniger gesundheitsschädigende, aber sicherlich nicht minder berauschende Kunst her- und ausgestellt. Doch erst mit den beiden Neubauten wird Arquipélago zu der Kunstfabrik, die sie ist.
Schwarze Mauern und Basalt im Beton
Die alte Fabrik besteht aus mehreren Gebäuden mit kohlschwarzem Gemäuer aus Vulkangestein, welches ihr ein imposantes, an eine Burg gemahnendes Aussehen verleiht. Da wird der alte Schornstein in der Fantasie schon einmal zum Bergfried. Die beiden Neubauten bestehen beide aus Sichtbeton mit einer Basaltkörnung und greifen die Form der alten Volumen mit ihren oszillierenden Satteldächern in abstrakter Weise auf. Der eine nimmt dabei einen bislang unbebauten Platz ein. Der andere Neubau ersetzt einen maroden Altbau. Zusammen umgibt das Ensemble einen neuen öffentlichen Platz. Ein kleinerer, weiß verputzter Altbau flankiert den Südeingang des Zentrums.
Kunst- und Kulturzentrum
Die neuen Räumlichkeiten der komplett sanierten Fabrik und ihrer Neubauten bieten alles, was das Künstler- und Kunstliebhaberherz begehrt. Das Kunst- und Kulturzentrum umfasst Lagereinrichtungen, eine Mehrzweckhalle für Performances, Labors, Ateliers und Ausstellungsräume. Die große Mehrzweckhalle befindet sich einem der Neubauten. Die alten Fabrikräume beherbergen hauptsächlich die Ausstellungsräume und einen didaktischen Bereich mit Bibliothek. Künstler haben im Zentrum außerdem nicht nur ihre Werkstätten, sondern zum Teil auch ihre Wohnräume.
Schwarz, Weiß und Grün
Dem schwarzgrauen geheimnisvollen Äußeren steht teilweise ein quasi „erleuchtendes“ Interieur gegenüber, mit weiß verputzten Wänden und Decken sowie warmen Holzböden. Manche Räume behalten jedoch das „Dunkle der Burg“ bei und zeigen entweder das Gemäuer der alten Fabrik oder Wände aus Sichtbeton. Letzterer stellt in vielen Räumen auch das Bodenmaterial. Auch die Mehrzweckhalle zeigt sich „düster“ mit schwarzen Planken. Das Kunstzentrum ist allerdings auch ein wenig „grün“. Die dicken Betonwände ermöglichen passives Heizen und Lüften und eine Regennutzungsanlage recycelt Regenwasser für die Bäder.
Fazit
Das Arquipélago Zentrum für zeitgenössische Kunst ist ein architektonisch vielfältiges und gleichsam harmonisches Ensemble. Schon die alte Tabak- und Alkoholfabrik mit ihrer kohleschwarzen Giebelfassade bietet für sich genommen einen spannenden Anblick. Die abstrakten Neubauten ergänzen den Altbau hervorragend und wirken fast, als sei hier das im Bestand zu beobachtende Vulkansteingemäuer zu einer glatten Oberfläche verschmolzen. Kein Wunder, dass Arquipélago 2015 auch für den Mies Van der Rohe Award nominiert war.